von Ursi Otto
Ich möchte Ihnen erzählen, welche Erfahrung ich gemacht habe im Flüchtlingsheim Heumaden, wo ich ehrenamtlich mithelfe. Dort sprach mich ein 11 jähriger Junge aus dem Kosovo an, wegen seinem kaputten Fahrrad, das er „geschenkt“, also gespendet bekommen hatte.
Auf den ersten Blick hatte es nur einen platten Reifen.
Wir fuhren zusammen in ein Fahrradgeschäft, um dort zu erfahren, dass dieses Rad komplett verkehrsuntauglich sei. Um nur das Notwendigste zu reparieren, müssten wir mit ca. 180 € rechnen und das Rad würde den Laden nur verlassen, wenn wir etwas unterschreiben, dass es nicht im Straßenverkehr benutzt würde.
Also haben wir es wieder ins Auto geladen und sind zum nächsten Fahrradladen gefahren. Dort hat man uns nach nur einem Blick in den Kofferraum geraten, das Rad gleich zu entsorgen, da es kompletter Schrott sei.
Dem Jungen standen die Tränen in den Augen. Er versteht sehr gut deutsch und hat verstanden, was beide Fahrradexperten uns gesagt haben. Aber er verstand die Welt nicht mehr! Er sagte mir, in seinem Land gäbe es an jeder Ecke einen Mann, der das für 3 € reparieren würde…
Was sagt man jetzt so einem Kind, das gerade noch glücklich war über sein unerwartetes Geschenk und jetzt erfahren musste, dass dieses Geschenk nichts wert ist, eher eine Gefahr darstellt? (… und wahrscheinlich nur Raum im Keller des Spenders geschaffen hat! Das habe ich nur gedacht, nicht gesagt!)
Also musste ich das Kind traurig wieder in seinem Heim absetzen und das Fahrrad zur Entsorgung mitnehmen.
Ich versuchte ihm beizubringen, dass man sich von Enttäuschungen nicht die Hoffnung rauben lassen darf und immer für etwas kämpfen sollte, wenn man es wirklich will. Also, glaub dran, du wirst ein gutes Fahrrad haben! Und ich helfe dir dabei. Der Junge sah mich an und sagte mir, er glaube nicht mehr dran…
Nach vielen Telefonaten mit Caritas und Neue Arbeit in Feuerbach wurden mir nach dem Kirchentag 2 (!) wunderbare überholte Kinderfahrräder ohne große bürokratische Hindernisse gratis geschenkt.
Also konnte ich nicht nur diesem Jungen, sondern auch noch einer weiteren Familie ein verkehrstaugliches Fahrrad besorgen. Die Freude darüber ist nicht zu beschreiben und hält noch an.
Vielleicht auch die Erfahrung, die Hoffnung nicht aufzugeben und auf die Menschen im neuen Heimatland zu vertrauen, wenn sie etwas versprechen. Mit dieser kleinen, vielleicht im Gegensatz zu dem großen Leid, das die Flüchtlinge ertragen müssen, unwichtigen Geschichte möchte ich darauf aufmerksam machen, wie unbedachte Spenden eher Leid als Glück erzeugen können. Und wie man durch ehrenamtliches Engagement das Vertrauen in die neue Heimat vermitteln kann.
Ich wünsche allen Ehrenamtlichen viele positive Erfahrungen und Kraft, die bei dieser Arbeit oft einhergehenden Frustrationen wegzuschieben.