Warum durften sie nicht bleiben? Nachrichten aus dem Kosovo

Wenige Tage vor Weihnachten im Dezember 2016 wurde Familie Haliti-Imeri in unserer Unterkunft von der Polizei abgeholt und in das Kosovo abgeschoben.

Darüber berichtete die Stuttgarter Zeitung:
media_media_c110f0c3-27c8-4371-a456-12b4b794f007_normalized

30.12.2016

Mit der Abschiebung der Halitis hatte keiner gerechnet

Kurz vor Weihnachten wird aus dem Flüchtlingsheim in Stuttgart-Heumaden relativ unerwartet eine Familie aus dem Kosovo abgeschoben. Die Eltern hatten bereits Ausbildungsplätze. In Heumaden sind viele geschockt.

Jetzt hat Adelina Imeri uns einen Brief geschrieben:

An alle Freunde und Alle die uns schreiben und helfen

Ich bin es:  Adelina Imeri.

Ich wollte Euch schreiben und sagen wie dankbar wir für die Hilfe sind. Ohne euch wäre ich sehr verzweifelt.

Vielen Dank!

Mieke hat gesagt ich soll schreiben wie es bei uns ist und wie es uns geht.

Dieser Brief ist sehr schwer für mich gewesen.

 

Nun sind wir im Kosovo und uns geht es ganz gut, anderen geht es schlechter.

Meine Kinder sind in der Schule und versuchen sich hier einzuleben, das fällt schwer.

Es ist nicht so einfach, die Schule nicht und das Leben hier auch nicht.

  

In der Schule sind die Lehrer nicht nett und sind auch gewalttätig zu den Kindern.

Ohrfeigen und Kopfnüsse sind ganz normal.

Aurona hat von 7:40-12 Uhr Schule und Elta und Olt haben von 15-18Uhr Unterricht.

Alle Kinder gehen in eine Schule und so kann jede Klasse nur 3 oder 4 Stunden Unterricht haben. 

Die Schule ist sehr dreckig, und die Kinder sind oft krank. Nicht nur meine Kinder.

Aus den Büchern wird nur auswendig gelernt.

Manchmal kommen die Lehrer auch gar nicht, dann ist niemand da der auf die Kinder aufpasst, auch nicht bei den Kleinen.

Viele Lehrer haben kein Studium, oder sie haben den Abschluss bezahlt und nicht dafür gelernt.

Sie sind nicht wie die Lehrer in Deutschland.

 

Die Kinder, auch wenn sie sehr gut lernen, müssen privat einen Kurs bei den Lehrern besuchen (und müssen den Kurs bezahlen), sonst bekommt man nicht die Note die man eigentlich verdient hat.

(Gestern hat eine Lehrerin Aurona zum ersten Mal gesagt, sie soll in ihre Privatstunde kommen)

Aber wenn man dann mit der Schule fertig ist, muss man zu Hause bleiben, weil es keine Arbeit gibt.

Und die, die Arbeit bekommen, müssen zuerst Geld bezahlen um arbeiten zu dürfen.

 

Leon ist zu Hause, weil der Kindergarten auch hier Geld kostet.

Aber es gehen sowieso keine Kinder hin, weil niemand Geld dafür hat.  

 

Ich würde sehr gerne arbeiten aber es ist sehr schwierig etwas zu finden.

 

Mein Mann Mehdi hat in den vergangenen Monaten ein paar Mal gearbeitet, aber das Wetter war zu kalt für Arbeit. 

Die gute Nachricht ist, Mehdi hat seit ein paar Tagen Arbeit.

Er hat lange gesucht und weil das Wetter jetzt besser geworden ist, haben er und sein Bruder jetzt endlich eine Arbeit als Müllmänner bekommen. Er arbeitet ca. 10-12 Stunden und verdient an 2 Tagen 15€. Für den ganzen Monat verdient er 150 €, leider ist es keine Vollzeitstelle, dann könnte er sogar irgendwann mehr verdienen.

Wir sind aber glücklich, dass er Arbeit gefunden hat.

 

Hier ist nicht mehr Krieg, ich weiß, aber wir wünschen uns so sehr wieder in Deutschland zu leben, weil ich dann keine Angst um meine Kinder haben muss.

Jeden Tag warte ich darauf, dass die Männer, die uns bevor wir nach Deutschland sind bedroht haben, wiederauftauchen, dass sie die Kinder auf der Straße anhalten, dass sie ihre Drohungen wahrmachen.

Ich begleite die Kinder überall hin und lasse sie nicht aus den Augen, weil ich Angst habe.

Es ist bisher nichts passiert, aber ich bin jeden Abend dankbar, wenn alle gesund wieder zuhause sind.

 

Ich weiß, dass wenn meine Kinder lernen, sie bei euch eine gute Zukunft haben. Hier ist das anders.

Aurona und Olt sind auch hier gut in der Schule. Aber wenn sie studieren wollen, muss man viel Geld für die Immatrikulation bezahlen, und dann für die Prüfungen. Nur mit Geld kann man studieren.  

Und weil man sich die Noten kaufen kann, sind die Lehrer schlecht, die Ärzte schlecht, die Polizei schlecht.

Was wird dann aus meinen Kindern? Jeden Tag denke ich, was ist, wenn sie groß sind?

Leon weint oft. Immer wieder sagen sie, sie sind sehr traurig. Und ich bin traurig, dass ich ihnen nicht helfen kann.

 

Als ich und meine Familie im Deutschland waren, war ich sehr erleichtert, weil ich wusste, dass meine Kinder alles haben was man als Kind braucht und ich selber das auch nicht hatte.

Wenn ich nicht in Deutschland gewesen wäre, hätte ich nie geglaubt, dass es so nette Menschen geben kann und ich bin sicher, dass meine Kinder diesen Spuren hinterher laufen werden.

Ich und mein Mann Mehdi waren sehr dankbar für die Ausbildung als Altenpfleger und ich hoffe so sehr, dass wir wiederkommen können und die Ausbildung machen werden.  

Ich und meine Familie bedanken uns herzlich bei alle Leuten, die uns geholfen haben und noch helfen und an uns denken. 

Vielen vielen Dank!  

Wenn ihr nicht wärt, ich hätte noch viel mehr Angst um unser Leben hier im Kosovo und ich weiß nicht, wie wir hier leben würden!

Immer wenn mein Herz schwer wird, denke ich an Deutschland und euch alle und es wird ein bisschen leichter. 

Mit meinem ganzen Herzen und viel Dankbarkeit. Eure Adelina